Drachenreiter Forum

Galladoorn und Kharkov Out-Time => Baronie Erbnacht => Thema gestartet von: Faran in 19.09.2020, 11:26:52

Titel: Brüder
Beitrag von: Faran in 19.09.2020, 11:26:52
19. Tag des 9. Monats des Jahrs 20 Viviane,

Erbnacht,
nicht näher beschriebenes Dorf,
Marktplatz,
Mittagszeit

Das ganze Dorf hat sich auf dem Marktplatz versammelt. In der Mitte des Gedränges steht schon seit einiger Zeit ein Mann, der zwar schon einige Winter gesehen, aber wohl auch noch einige vor sich hat. Stolz hebt er seine in die Gewandung des Furors gekleidete Brust während er zu den Leuten spricht.

"...deshalb sage ich euch! Ein jeder, der eine Waffe zu führen vermag, möge sich uns und unserer edlen Aufgabe anschließen! Die Zeit ist gekommen, um zu handeln! Der Furor wird nicht tatenlos dabei zu sehen, wie dieses heilige Land des Drachen in den Untergang gezogen wird! Durch seinen Zorn werden wir stark! Gute Leute von..."

Zwei weitere Gestalten treten nun leise hinter der Menschenmenge heran. In Lumpen gehüllt und voller Dreck lauschen sie aufmerksam, doch mit einem skeptischen Blick den Worten des Mannes inmitten der Masse. Doch dabei hören sie auch, wie nicht weit von ihnen zwei andere Gestalten miteinander tuscheln. Sie sind in Arbeitsklamotten gehüllt und tragen Drachensymbole um den Hals.

"Recht hat er! Der Furor ist der einzig wahre Weg!" spricht ein stämmiger Mann mit einer Harke zu einem eher schmächtigeren.
"Ich weiß nicht...", entgegnet der andere.
"Siehst du es denn nicht? Was hat die Gemeinschaft denn für uns getan? Die hocken doch nur in ihren Klöstern und tun nichts!"
"Aber...sie kommen doch immer wieder hierher, um nach uns zu sehen..."
"Ach wann waren die schon jemals wirklich für uns da!", sagt der stämmigere nun etwas lauter.

Doch noch scheint er nicht aus der Masse herauszustechen.
Dennoch -  die kleinere und pummeligere der beiden Lumpengestalten scheint nun ihre Aufmerksamkeit voll und ganz auf die beiden Männer zu richten.

"Sie...sie...helfen doch immer unseren Kranken."
"Ach was!" winkt der stämmige ab. "Die wären doch auch alle von selbst gesund geworden! Die kommen doch nur um uns zu täuschen! Geben vor, dass sie nützlich sind! Aber wo sind sie, wenn es wirklich brennt!"
"Aber...hier hat es in den letzten Jahren doch nie gebrannt..."
"Ja aber was wäre wenn! Wo wären sie dann? In Ihrem scheiß Kloster, das sag ich dir!"
"Aber das weißt du doch gar nicht."
"ZWEIFELST DU ETWA AN DEN WORTEN DES PRIESTERS?!", sagt der stämmige nun sehr laut und jedes Geräusch auf dem Platz scheint zu verstummen.

Selbst der Bote des Furors unterbricht seine Rede und wendet interessiert seinen Blick den beiden Männern zu. Die Umstehenden gehen sogleich ein paar Schritte zurück, so dass die beiden alleine stehen.

"DIE INTERESSIEREN SICH EINEN DRECK FÜR UNS!"
, brüllt nun der stämmige.
Der andere Mann wirkt sichtlich erschrocken und macht zögerlich einen Schritt zurück.
"DER FUROR! JA DER FUROR! Der ist JETZT HIER! Weil er sich um uns SORGT! Weil er will, dass wir zusammenhalten!"
"Du...du machst mir Angst...Bruder..."
"Nur Feiglinge haben Angst! Wie willst du gegen die Finsternis streiten, wenn du so ein Angsthase bist, HM?!".
"Ich...ich erkenne dich gar nicht wieder...was...", der kleinere Mann macht noch einen Schritt zurück, wobei er an einem Stein hängen bleibt und leicht ins Torkeln kommt.

Der stämmige Mann geht nun auf seinen Bruder zu und rammt ihm energisch seinen rechten Zeigefinger mehrfach auf die Brust.
Der Bote des Furors verfolgt das Gespräch und zieht langsam ein leicht hämisches Schmunzeln.

"Immer zu faseln sie von Ruhe! Dass man sich zurückhalten soll! Aber nie tun sie irgendwas! Faule Ratten sind das! Bist du etwa auch so eine?! HM?!"
Der kleinere Bruder kann sich schließlich nicht mehr auf den Beinen halten und stürzt auf seinen Hintern. Angsterfüllt blickt er zu seinem Bruder hinauf.

"EIN FEIGER NICHTSNUTZ BIST DU WENN DU NICHT DEM FUROR GLAUBST! NUTZLOS!", brüllt der große nun und hebt den Stiel seiner Harke, um seinen Bruder damit zu schlagen.

Das Grinsen des Boten des Furors wird etwas größer, bis es schließlich zerbricht und Verwunderung weicht. Der stämmige Mann will gerade seine Harke auf seinen Bruder herunterfahren lassen, als er bemerkt, dass sein Werkzeug ihm nicht gehorchen will. Verwundert dreht er sich herum und bemerkt, dass die kleine Lumpengestalt aus der Menge getreten ist, und seine Harke mit den Händen gepackt hat.

"WAS SOLL DAS?! LASS DAS DING LOS!", keift der Bulle die Gestalt an.
"Nein.", entgegnet eine warme Stimme mit festem Ton aus der Gugel heraus.
"Bist du etwa auch so ein Weichei?!" Zornig beginnt der Mann an seiner Harke herumzureißen.

Die Lumpengestalt lässt schließlich nach einigen Augenblicken in einem unerwarteten Moment doch los, worauf der Mann so kräftig an der Harke zieht, dass sie ihm entgleitet und im hohen Bogen in die Menge segelt, die erschrocken von ihr zurückweicht. Er schaut ihr noch einen Moment nach, bevor er sich wutentbrannt der Lumpengestalt zuwendet. Diese legt nun die Hände an ihre Gugel und zieht sie langsam herunter. Ein schwer verdreckter Mann in seinen besten Jahren kommt darunter zum Vorschein, der dem Bullen einen entschlossenen - aber auch etwas wehmütgen - Blick entgegenwirft.
An seinem Hals blitzen kurz zwei kleine metallische Dinge auf.

"WER BIST DU, DASS DU ES WAGST! WA- FARAN?!", brüllt der Bulle mit leichtem Erstaunen.
Faran nickt. "Und ich bin hier, um dich daran zu erinnern, wer du bist."
"ICH WEIß VERDAMMT GENAU WER ICH BIN!!", ruft der Mann erzürnt und stürmt auf Faran zu, der sich gerade noch aus seiner Bahn ziehen kann.

Ein heftiger Schlag fliegt ins Leere an ihm vorbei. Schließlich stellt er sich zwischen den Mann am Boden und den Rasenden.

Faran erhebt sodann leicht seine Stimme "Du bist geblendet, Bruder! Erkennst du es denn nicht!"

Erneut holt der Mann aus. Seine Faust verfehlt Farans Kinn nur um Haaresbreite.

"DU HAST NERVEN! NACH ALL DER ZEIT KREUZT DU HIER EINFACH SO AUF! DER FUROR IST JETZT FÜR UNS DA!"
"Und was hat er bisher für euch getan?", fragt Faran nun etwas schwerer atmend als zuvor.
"UNS DIE AUGEN GEÖFFNET!", der Mann holt erneut aus, wieder kann Faran im letzten Moment ausweichen, was ihn sichtlich Mühe kostet.

In der Menge beginnt Gemurmel. Der Bote des Furors verfolgt das Geschehen nun mit ernster Miene. Die zweiet Lumpengestalt scheint seelenruhig in der Menge zu stehen.

"Leere Versprechungen hat er euch gemacht, Karl. Und deinen Geist vergiftet."
"HALT DEIN SCHEIß MAUL!", keift Karl mit hochrotem Kopf und schnauft dabei wie ein Stier.
"Karl...sieh hin...sieh was du im Begriff warst zu tun!", spricht Faran und dreht sich leicht zur Seite.

Kreidebleich und schweißgebadet liegt der kleinere Bruder immer noch am Boden. Panisch ringt er nach Luft, als er Karl entgegen blickt.
Karls Blick scheint zunächst an Faran geheftet, zuckt dann aber zu seinem Bruder. Schnaubend schaut er ihn an, wobei sein Atem nach einigen Augenblicken etwas langsamer wird. Seine Miene entspannt sich leicht, doch ist immer noch von deutlichem Zorn geprägt.

"Das ist dein Bruder, Karl! Dein Zorn hat dich dazu verleitet, dein eigen Fleisch und Blut anzugreifen! Erkennst du es denn nicht!"

Karls Blick zuckt nun immer wieder zwischen Faran und seinem Bruder hin und her. Er atmet dabei wieder schneller, doch mit der Zeit entfleucht der Zorn seinem Gesicht und weicht dem Schrecken.

"Karl." Faran erhebt seine rechte Hand und deutet auf Karls Hals. "Dieses Symbol. Wofür steht es? Erinnere dich!"
Karl nimmt das Drachensymbol in seine rechte Hand und betrachtet es mit leicht verzweifeltem Blick. "F...Für...Liebe...M...Mut....und W-w-w...Wahrheit..."

Faran nickt gemächlich, auch sein Atem beruhigt sich wieder.

"Karl, du warst schon immer ein mutiger Mann. Doch Mut allein ohne Liebe im Herzen wird niemals zu gerechtem Zorn.", sagt Faran bestimmt und wendet sich zur Menge um sie herum.

"Ja, Zorn kann viel bewegen in der Welt. Doch gerechter Zorn und purer Hass sind nicht das gleiche! Der Furor hat die drei Prinzipien nicht nur vergessen! Nein! ER SPUCKT AUF SIE! Mit Lügen vergiften sie eure Herzen! Füllen sie mit Hass und nennen es gerechten Zorn! Nichts als Verderben werden sie euch bringen, wenn ihr ihnen Glauben schenkt! Sie verehren den heiligen Gadon - doch glaubt ihr Gadon wäre jemals so herrlich geworden, hätte er nur den Zorn gekannt? Nein! Liebe, Mut und Wahrheit haben ihn beflügelt die Dinge zu tun, für die ihr ihn heute kennt! Niemals hätte er jemanden aufgewiegelt und belogen! Niemals hätte er die Hand gegen seine Brüder und Schwetern erhoben, oder jemanden dazu verleitet, dies zu tun! Er wäre in der Schlacht gegen den Daimones auf dem Hügelkamm für jeden einzelnen gestorben! Denn er trug die Güte des Drachen in seinem Herzen! Nur deswegen eilte Seraphina ihm zur Seite - der Engel es Drachen höchst selbst! Erinnert euch an ihre Worte! "

Das Getuschel in der Menge verstummt. Die Lumpengestalt steht weiter ruhig in ihr herum und das Gesicht des Boten des Furors wird langsam zornig.
Faran beginnt mit energisch lauter und bestimmter Stimme zu sprechen.

"Ein kühnes Herz, erfüllt von großem Mut und dem festen Glauben an die Güte des Großen Drachen, wird selbst in den Schrecknissen tiefster Finsternis niemals ohne den Funken der Hoffnung sein, den der Große Drache in ihm säte!"

Kurz setzt er ab und beginnt dann erneut.

"Dieser Funke ist es, der uns zu großten Taten bewegt! Und diesen Funken werden sie euch nehmen, wenn ihr euch dem ergebt, was sie gerechten Zorn nennen! Nichts als Hass und Tod werdet ihr finden, beschreitet ihr diesen Pfad!"

"LÜGE!" brüllt nun der Bote des Furors und tritt aus der Menge auf Faran zu. "Sehet den Feigling, der sich fürchtet vor der Kraft des gerechten Zorns!"
Der Bote wendet sich nun rundherum an die Menge.
"Deshalb scheitert die Gemeinschaft! Wegen Feiglingen wie ihm wird das Antlitz des großen Drachen besudelt! Denn erinnert euch, wie Seraphinas Worte weiter erklangen! Aus dem Funken mag in der Zeit der Not die Flamme des gerechten Zorns empor züngeln! Diese Zeit ist jetzt! Belügen will er euch in dem er nur die halbe Wahrheit sagt!"

Die Menge beginnt erneut zu tuscheln, was der Bote mit hämischer Freude quittiert und sich zu Faran wendet. Doch dieser erhebt nun das Wort:

"Strafe mich nicht Lügen, wenn du es bist, der die Wahrheit verdreht!" Nun wendet sich Faran an die Menge "Ja, Seraphinas Worte gehen weiter. Und ja, sie spricht vom gerechten Zorn. Doch sie spricht nicht nur davon, dass seine Flamme in der Not emporzüngeln möge, NEIN! Sie sagte es werden dabei auch jene Worte uralter Weisheit aufsteigen, wie aus den Meeren der Welt! VERZAGE NIE, DENN ICH BIN BEI DIR!"

Zähneknirschend funkelt der Bote Faran an.

"Wir sind eine Gemeinschaft! Wir sind füreinander da! In Liebe, Mut, und Wahrheit! DAS gibt uns diesen Funken! Blinde Wut und verdrehter, fehlgeleiteter Zorn werden das schlimmste in euch herauskehren! Sehet, was die Worte dieses Mannes mit dem guten Karl gemacht haben!"

Die Menge verstummt. Einige Augenblicke herrscht absolute Stille, eher der Bote des Furors sich herumschaut und nichts als missbilligende Gesicher erblickt.

Sodann richtet Faran das Wort an ihn: "Geh nun, Bote des Furors. Kehre zu deinen Meistern zurück und lass sie wissen, dass die Gemeinschaft zueinander steht. Und dass eure verdrehten Lehren hier keinen Platz finden werden."

Weißglühender Zorn macht sich im Gesicht des Boten breit, der sogleich an seinen Gürtel greift und einen Dolch zückt, mit dem er auf Faran zustürzt.
Doch er kommt nicht an. Der jüngere Bruder erhebt sich plötzlich, packt die Hand des Mannes und verdreht sie leicht, worauf der Bote vor Schmerz aufschreit und den Dolch fallen lässt.

"ARGH! Du elender Narr!", er zückt einen weiteren Dolch mit der anderen Hand und wirft sich nun auf ihn.

Dieses Mal findet der Dolch sein Ziel. Oder eher...ein Ziel.
Von der Seite springt plötzlich Karl vor seinen Bruder, worauf der Dolch in seiner Schulter versinkt.
Fassungslos taumelt der Bote einen Schritt zurück, als Karl vor seinem Bruder in die Knie geht.
Faran tritt von hinten an die Brüder heran und legt ihnen seine Hände auf die Schultern.

"Dies...ist der Funke. Und die Kraft, die er entfesselt. Eine Kraft, die du und deinesgleichen niemals haben wird. Die Kraft einer Gemeinschaft."

Darauf kniet er neben Karl nieder und beginnt in seiner Tasche zu wühlen. Sorgsam holt er Verbände, Nadel und Faden heraus.
Wie angewurzelt starrt der Bote einen Augenblick auf Faran, bis die Meute um ihn herum erneut zu tuscheln beginnt und dabei immer lauter wird.
Während Faran sich noch um Karl kümmert und den Dolch sorgsam entfernt erhebt er seine Stimme ein letztes Mal:

"Lasst ihn gehen."

Zunächst zögerlich, aber dann doch etwas schneller treten die Menschen etwas bei Seite, worauf eine Gasse aus der Menge frei wird.
Der Bote schaut die Gasse herunter, dann zu Faran, Karl und seinem Bruder. Dann wieder zur Gasse. Letztendlich nimmt er all seine Kraft zusammen und stürmt davon.
Karl und sein Bruder fallen sich weinend in die Arme, während Faran erschöpft lächelnd daneben sitzt. Die Menge beginnt zu jubeln - alle bis auf einen.

Die größere Lumpengestalt steht nach wie ruhig und verhüllt in ihr.
Doch wer genau hinsieht...der erkennt dass ihre strengen Mundwinkel kaum merklich nach oben gerückt sind.

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Am selben Abend versammeln sich einige Dorfbewohner in der Taverne, um zu feiern. Der Wirt besteht darauf, dass Faran und sein mysteriöser Begleiter bei ihm übernachten und sich waschen können, was sie auch dankend annehmen. Nach einem langen Abend der Freude sacken die beiden schließlich in ihre Betten.

"Gute Nacht, Vater Raimund.", spricht Faran mit freundlicher Stimme.
"Gute Nacht...Novize.", kommt es etwas trocken zurück.

Es dauert nicht lange, bis die beiden ihren Frieden finden und seelig einschlafen.

Doch mitten in der Nacht wacht Faran plötzlich auf. Schweißgebadet liegt er neben seinem Bett und starrt an die Decke.
Tränen rinnen seine Wangen hinunter, während er mit großen Augen sein Gesicht abtastet, das sich anfühlt, als würde es in Flammen stehen.
Schließlich greift er sich mit der anderen Hand ans Herz. Es fühlt sich klamm an...verkrampft...
Ein seltsam unheimliches Gefühl kriecht durch seinen Körper.

Vorbei. Versagt. Besiegt. Gestellt. Verloren.