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Schweifende Gedanken

Begonnen von Arianna, 16.11.2019, 21:22:58

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Arianna

Schweifende Gedanken


Arianna stand am großen Fenster im oberen Turmzimmer und blickte über die Mauern der Feste Erbnacht auf Stadt-Erbnacht hinab.
Ihr Blick schweifte über die emsig umher laufenden Bürger, die ihrem Tagewerk nachgingen, und dann weiter in die Ferne in Richtung der Wälder Erbnachts.
Ihre Gedanken kreisten um das jüngste Geschehen.
Ein fröhliches Fest hatte es werden sollen. Etwas, das es schon lange nicht mehr in den alten Mauern der Feste gegeben hatte.
Generell hatte es in den letzten harten Jahren wenig Grund zur Freude gegeben.
Erst vor einigen Jahren noch war sie eine einfache Frau im Heilerhaus gewesen.
Sicher, auch mit vielen Aufgaben und Problemen behaftet, eben ein normales Leben einer erbnachter Bürgerin.
Und dann hatte sich ihr Leben fast von einem auf den anderen Tag mit der Ankunft von Thorus geändert.
Man hatte ihr nach Prüfung den Namen einer Familie wieder gegeben, von deren Existenz sie vorher noch nicht einmal etwas geahnt hatte, noch weniger das sie die letzte Überlebende davon war.
Dazu noch deren Familiensitz, und gleich obendrein noch als Markverweserin der Gemarkung eingesetzt, in deren Grenzen sich der Familienbesitz befand.
Von jetzt auf gleich hatte sie viele neue, ungewohnte Aufgaben bekommen, die sie zu bewältigen hatte. Nichts war mehr gemein mit dem einfachen Leben, welches sie zuvor geführt hatte.
Thorus blieb ab dieser Zeit als ihr Waffenmeister an ihrer Seite, und Wulf hatte sie immer als festen Rückhalt, wenn sie ihn brauchte.
Der Halbork war zunächst gar nicht begeistert gewesen, das sie ihm die Leitung des Heilerhauses übertragen hatte. Aber wem auch sonst?
In ihren Augen hatte es keinen fähigen Anderen im Heilerhaus als ihn gegeben.
Nun hatte auch er eine weitere, zusätzliche Aufgabe, die er eigentlich nie gewollt hatte.
Mit der Übernahme Frostwalds zeigten sich auch die Frostwaldelben nach Jahrzehnten wieder.
Eines Tages stellte sich deren Botschafter bei Arianna vor, um das Freundschaftsband, welches "ihre" Familie vor Jahren mit den Elben aus dem Frostwald verband, zu erneuern.
Seither war auch Eloell oftmals an ihrer Seite zu finden.
Aber dennoch - am Ende des Tages stand sie mit der Verantwortung auf ihren Schultern allein.
Ariannas Blicke schweiften weiter über ihre geliebte Baronie, während die Sonne langsam unterging.
Erst im vergangenen Jahr hatte es der Krone Galladoorns gefallen, sie anstelle des abgesetzten Rupert Elias von Thalgaard als neue Kronvögin einzusetzen.
Noch mehr Verantwortung, die sie zu schultern hatte.
Doch scheitern wollte sie nicht, durfte sie nicht.
Durch harte Arbeit mit und für die Bürger Erbnachts, langjährige Freundschaften und daraus resultierenden Handel, neue Bekanntschaften wie mit der allerländischen Provinzherrin Sarah von der Roten Furth und deren neu gegründeten Waisenhaus wurde Erbnachts Wirtschaft wieder angekurbelt.
Seit langer Zeit war das Vieh gesund geblieben, die Felder hatten gute Erträge gebracht, neue Handwerker waren hinzugezogen und hatten den Wiederaufbau der noch verbliebenen Ruinen vorangebracht, Korrespondenzen mit anderen Baronien wurden ausgehandelt und so Erbnacht aus seinem tiefen Winterschlaf geholt und zum wieder erblühen gebracht.
Der "alte Packt" mit den drei ansässigen Orkstämmen wurde erneuert und auf einen Vorschlag einer von ihren Schamaninen sogar erweitert. Unter den Orks waren die Bürger Erbnachts jetzt als "Stamm Erbnacht" akzeptiert, für den sie Arianna als "Häuptling" ansahen. Und es herrschte Frieden. Sicher - ein paar Reibereien gab es hier und da, würde es auch weiterhin geben. Aber die größeren Probleme wie in den vergangenen Jahren waren ausgeblieben.
Also alles in allem ein sehr gutes Jahr, das man mit dem Herbstfest feiern wollte.
Und dann das!
Wieso musste der Furor gerade jetzt wieder Unruhe stiften?
Hatte Erbnacht in den vergangen Jahren nicht schon genügend Leid erfahren und nun endlich eine bessere, friedlichere Zukunft verdient?
Warum lockten sie gerade jetzt die Bürger mit falschen Versprechungen und Lügen von ihren Höfen, um deren Orden zu folgen?
Und was wollte der Furor? So lange hatte sie darauf gehofft, etwas gegen den Orden in die Hand zu bekommen. Aber musste es gleich auf diese Art und Weise sein?
Am Morgen war Dantioch, Defensor in der Gemeinschaft des großen Drachen zurückgekehrt.
Er war den Abgesandten gefolgt, welche während des Festes aufgetaucht waren, und hatte versucht, die aufgewiegelten Bauern wieder zur Vernunft zu bringen.
Doch dies war ihm - laut seiner Aussage - nur leidlich geglückt.
Sie waren zwar wieder zurück in ihre Häuser gegangen, aber nach seiner Vermutung würden sie jeder Zeit, wenn der Furor rief, wieder losziehen.
Das war eben das große Problem. Als die Menschen in Erbnacht die Gemeinschaft am dringendsten gebraucht hatten, waren sie nicht da. Sie hatten sich nach deren Verschwinden alle auf die Suche nach der letzten Baronin Isabella von Tiefensee gemacht.
Aber der Furor war da..... Arianna vermutete, das die Menschen dort statt bei der Gemeinschaft Trost gesucht hatten, daher jetzt blind deren Worten folgten ohne darüber nachzudenken, was sie von sich gaben.
Der Furor spaltete die Bürger. Bis auf eine kleine Gemeinschaft, die wie sie selbst dem Kreislauf des Lebens folgten, standen auf der einen Seite jene, die treu zur Gemeinschaft des großen Drachen standen.
Dagegen jene, die dem Furor Draconis folgten.
Sie war sich sicher, würde der Furor zum Kampf aufrufen, sie würden folgen.
Doch wie sollte sie dieser Lage Herr werden? Die Erklärung des Furor Draconis zu vogelfreien sowie das Verbot der Anhängerschaft dieses Ordens würde hier wohl eher nicht die Lösung sein.
Dies hatte grade das Ereignis am heutigen Morgen gezeigt.
Die drei Gefangenen aus dem Orden des Furor sollten öffentlich auf dem Marktplatz Stadt-Erbnachts gehängt werden.
Doch einer von ihnen, die Flamme Hengist von Ährstätt, hatte sich geopfert, um der Schwinge Raynald von Zwangshaim sowie der Klaue Grimbert Schinder die Flucht zu ermöglichen.... Aber auch sie mussten Hilfe gehabt haben.
Anders ließ es sich nicht erklären, das diese trotz direkter Verfolgung und intensiver Suche seit ihrer Flucht unauffindbar waren.
Inzwischen war die Sonne über Erbnacht untergegangen und die Kronvögtin zog ihren Umhang fester um die Schultern.
Wie schon zuvor stand sie am Ende des Tages mit der Verantwortung allein.
Ohne das sie groß darüber nachdachte, führten ihre nächsten Schritte sie aus dem Turmzimmer, die Treppe hinunter in den Hof zum Ruhepunkt, den Wulf hier eingerichtet hatte.
Arianna entzündete eines der bereitliegenden Räucherstäbchen und stand dort noch eine kleine Weile, bevor sie gefolgt von Thorus und zwei Wachen die Feste in Richtung Heilerhaus verließ.