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Jagd in Schwarzbrück

Begonnen von Tine / Alrun, 09.08.2021, 06:05:20

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Tine / Alrun

Alrun kniet am Ufer des kleinen Teichs und wäscht sich das schmierige Blut von den Händen. Träge kreisen rostigrote Schlieren im Wasser, das sich dunkel färbt. Schon wieder einer dieser vermaledeiten Jagdausflüge! Seit sie vom Ritterschlag des Herrn von Wintersang zurückgekehrt sind, reitet der Herr noch öfter in die umliegenden Wälder auf die Jagd als sowieso schon. Jagd? Eher ein Gemetzel. Wenn man Herrn Hagens grimmiges Gesicht dabei sieht, erfriert einem das Herz. Eine Jagd sollte fröhlich sein – oder zumindest ... Alrun fehlen die Worte. Wenn sie ihren Herrn sieht, wie er verbissen die Saufeder in den Keiler rammt, wenn sie ihm zur Hand gehen muss, wenn er einen Hirsch aufbricht und sie das Gefühl hat, dass es nicht das Wild ist, auf das er wortlos mit kalten eisblauen Augen einhackt ... Sie ahnt, wen er vor sich sieht, wenn er Herz und Leber aus der Beute heraustrennt. Sie kann ihn bis zu einem gewissen Grad verstehen. Kann den Unmut der alten Familien nachvollziehen. Was Recht ist, muss Recht bleiben. Aber Macht geht vor Recht, das hat sie leider oft genug gesehen. Was hat er denn gedacht, was passieren würde? Was hat er gedacht, wie das Zögern seines Bruders aufgenommen werden würde? Wer nicht eindeutig für mich ist, ist gegen mich! Langmut und Vergebung sind nicht wirklich die Tugenden des hohen Adels. Sie hatte es kommen sehen. Hatte gehofft. Und doch gewusst, dass die Hoffnung umsonst war. Es wurmt Alrun immer noch, dass die Beteiligung ihres Herrn bei der Befreiung Sommburgs vom Baron nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Sie hatte gehofft, dass es ihrem Herrn, und damit seiner Familie, positiv ausgelegt würde, dass er seine Knappin entsandt hatte, um sich an dieser Unternehmung zu beteiligen. Sie hatte ihr Bestes gegeben, aber es hatte nicht gereicht. Wieder war sie kurz vor dem Ende gescheitert, hatte ihm keine Ehre machen können. Zu schwach und zu langsam war sie gewesen. Wieder einmal! Kein Wunder, dass er ihr gegenüber so frostig war. Dazu noch die Inspektoren des Fürsten. Überall schnüffelten sie herum, horchten die Leute aus. Die Ankunft dieser Spitzel – nichts anderes waren sie – hatte Herrn Hagens Laune auch nicht gerade gehoben. Der Fürst vertraute niemandem – nicht einmal seinem Ersten Ritter. Alrun gegenüber war der Herr von Wolkenstein noch schroffer als üblich – sofern das überhaupt möglich war. Kein Vergleich mit dem entspannten, fröhlichen Herrn Hagen, der sie seinen Ritterbrüdern und -schwestern zur Schwertleite vorgeschlagen hatte. Beim Gedanken daran überläuft sie ein wohliger Schauer. Kein Widerspruch war laut geworden. Lediglich Herr Eyke von den Marschen hatte Dinge geäußert, die Alrun nach wie vor nicht richtig einordnen kann. Kein Einwand, aber dennoch ... merkwürdig. Trotzdem: Wie stolz sie gewesen war. So viel Lob und gute Worte – und das zum Teil von Leuten, bei denen sie nie damit gerechnet hätte, von denen sie nicht gedacht hätte, dass sie die kleine Knappin überhaupt zur Kenntnis nahmen. So viel Aufmerksamkeit, noch dazu positive, ist sie nicht gewöhnt. Alrun hatte einen Kloß im Hals gehabt, als sich so viele Augenpaare auf sie gerichtet hatten, und nichts zu sagen gewagt, aus Angst, dass ihr die Stimme versagen könnte. Die Arme hatte sie fest verschränkt, damit niemand sehen konnte, wie sehr ihr die Hände zitterten. Er hatte es schlussendlich doch getan ... Anders als sie es sich gewünscht hatte ... Nicht aus eigenem Antrieb ... Aber immerhin ... Dabei hatte sie doch ... - Schluss damit! Sie hatte es Herrn Ulath versprochen! Ihr Hochgefühl verfliegt. Alrun blickt zu Herrn Hagen hinüber, der im Schatten eines Baumes auf einem Felsen sitzt und finster, mit zusammengezogenen Brauen in seinen Becher starrt. Seine Jagdbeute, einen prächtigen Rehbock, der unweit im Gras liegt, würdigt er keines Blickes. Zu seinen Füßen liegt das rot verschmierte Leintuch, mit dem er sich die Hände gesäubert hat. Die Wamsärmel des Ritters und das an den Handgelenken hervorlugende Hemd sind blutgetränkt, doch Herr Hagen scheint das nicht zu bemerken. Und wenn doch, so scheint es ihn nicht zu berühren. Ob die Flecken sich wieder entfernen lassen würden? Alrun wird sehen, was sich tun lässt. Seit der Verkündung des Friedens in Schwingenstein brütet ihr Herr vor sich hin, ist reizbar und ungeduldig. Gedankenverloren reibt sich Alrun mit dem Unterarm über die Wange, wo ein frischer Bluterguss von Herrn Hagens schlechter Laune zeugt. Einige hatten verloren, andere hatten gewonnen ... Herr Aramis war in vollem Lauf das Treppchen hinaufgestürmt – oder besser: war hinaufgehoben worden. Alrun seufzt. Was nach einer unerhörten Belohnung aussieht, kann ein vergiftetes Geschenk sein. Sie hofft von Herzen, dass sie sich irrt. Die mehr als großzügige Belehnung des Herrn von Wintersang war für manchen anderen eine schwere Demütigung, nicht zuletzt für dessen Rittervater. Man wird sehen, was sich daraus ergibt. Alrun steht auf und rollt die Ärmel ihres roten, verschlissenen Hemdes wieder etwas weiter herunter. Auch ihre Kleidung hat Blut des Bocks abbekommen. Von dem weinroten Stoff hebt es sich aber nur als etwas dunklere Flecken ab. Die Knappin runzelt die Stirn. Wer sich mit den Hunden schlafen legt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er mit Flöhen aufwacht. Und ein ganz besonders mieser Hund ist der Neffe des Barons. Auros von der Sternengischt. Beim Gedanken an den elenden Schnösel kommt ihr die Galle hoch. ,Lasst das Kind im Wald! Soll Meret entscheiden, was damit geschieht!' Alrun knirscht mit den Zähnen. Ein krummer Stecken wirft keinen geraden Schatten. Und so jemandem wird Land, werden Menschen anvertraut. Meret stehe seinen neuen Untertanen bei! Die Knappin schluckt ihren Zorn hinunter und nickt wortlos Albrecht, einem der Jagdhelfer, zu. Gemeinsam heben sie den Rehbock auf das Packpferd, wo sie ihn sorgfältig festbinden. Die Knappin sieht zu ihrem Herrn hinüber. Der stellt seinen leeren Becher achtlos auf den Stein und erhebt sich. ,,Aufsitzen!", kommandiert der Ritter, ,,Es geht weiter!" Alrun nickt, steckt das Trinkgefäß ein und rückt mit einem lautlosen Seufzer ihre Ausrüstung zurecht. Er scheint heute noch nicht genug zu haben ...
Wenn Ihr das sagt, Herr.
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