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Sucker Punch - Eine Filmkritik

Begonnen von Colja Ivanowitsch, 06.04.2011, 18:13:17

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Colja Ivanowitsch

Hi Leute,

ich war vor einigen Tagen in Sucker Punch und wollte für all jene, die den Film noch nicht gesehen haben und sich überlegen, das vielleicht zu tun, eine Filmkritik schreiben, die euch einen (subjektiven) Anhaltspunkt geben kann, ob der Film etwas für euch ist, oder nicht. Daher versuche ich, den Spolieralert[tm] auf ein Minimum zu beschränken. Dennoch werde ich natürlich ein wenig auf die Handlung zu sprechen kommen, aber dazu später mehr.

Wenn man sich Sucker Punch im Kino ansieht, gibt es eine Reihe von Dingen, welche den Kauf einer Kinokarte lohnen:
Die bewährte Snyder-Optik mit Farbfiltern und "abgefuckt" aussehenden Sets, sowie spektakulären CGI-Sequenzen gehört ganz klar dazu. Sucker Punch ist ein visuelles Spektakel, das vor allem Kinozuschauer durch die schiere Wucht der Eindrücke in den Sitz presst.
Dazu kommen Robo-Samurai, dampfgetriebene Wehrmacht-Zombies und I-Robot-mäßige Glasmenschen, die versuchen, in den hervorragend inszenierten Actionsequenzen den fünf äußerst leicht bekleideten, aber dafür schwer bewaffneten Hauptcharakteren an die Strapse zu gehen.
Ein brillianter Soundtrack aus Covern und Remixes (der unter anderem Hauptdarstellerin Emily Browning schaurig schön in Szene setzt) tut sein übriges zur Überflutung der Sinne des Zuschauers und wenn man die psychedelische Grundstimmung und das beklemmende Ambiente einer Irrenanstalt anno 1960 in sich aufsaugt, scheint man doch einen hervorragenden Film genossen zu haben, oder?

Jein.

All das oben beschriebene kann der Film wirklich sehr, sehr gut. Und wer einfach ein bild- und soundgewaltiges Spektakel in bewährter Snyder-Manier erleben will und auf stereotypische Bösewichte steht, der sollte hier aufhören zu lesen und ins Kino gehen. Ernsthaft; ins Kino. Ein Fernseher reicht hier bei den meisten ebensowenig, wie die Anlage unter der TV-Bank.

Das Problem des Films ist seine Handlung und sein äußerer Aufbau. Man darf keine überraschenden Wendungen und psychologischen Tricks erwarten und wenn man den Trailer gesehen hat, weiß man auch in etwa, worum es geht und wie der Film ausgehen wird.
Das wäre noch kein Grund, den Film abzuurteilen; das Problem des Films ist die Unausgegorenheit, mit der er erzählt wird.

Während Sucker Punch über weite Strecken einfach nur bildgewaltige Action mit einem Tick Sex und einer Prise Traume sein möchte, macht er an einigen Stellen vor allem durch die gelegentlichen Off-Kommentare der Hauptfigur Baby Doll wesentlich größere Fässer auf und stellt ethische und psychologische Fragen, die weder geklärt werden, noch so recht zu der Einfachheit der Handlung passen wollen.
Man wird das Gefühl nicht los, das der Film mehr unterschweliig vermitteln möchte, als er kann und die zusammengewürfelt wirkende Abfolge von Baby Dolls Traumsequenzen macht die Sache nicht besser.
Zudem schießt sich Synder bei der Inception-bewährten Struktur mehrerer Handlungsebenen selbst ins Bein, indem er teilweise klare Entsprechungen für Abläufe auf der einen und der anderen Ebene gibt, dann mal wieder auslässt und schließlich Handlungsstränge eröffnet, die sich wie lose Fäden im Abspann verlieren.
Und dann gibt es zum Ende natürlich einen Twist, der nicht so recht zu dem passen will, was man zuvor gesehen hat und jedem Dramaturgen die Schamesröte ins Gesicht steigen ließe.

Zusammen mit dämlichen Dialogen, Klischees die weder wirklich zelebriert, noch zerstört werden und Hauptfiguren, zu denen man aufgrund der über weite Strecken grottigen Leistung der Hauptdarsteller und des unausgegorenen Drehbuchs keine Beziehung aufbauen kann, obwohl der Film will, das man das tut, tun ihr übriges. Schauspielerische Lichtblicke finden sich in Wärter/Puffbesitzer Blue (Oscar Isaak - Der Mann der niemals Lebte/Robin Hood), Psychiaterin/Puffmutter/Tanzlehrerin Vera Gorski (Carla Gugino - Faster/Watchmen) und dem "Weisen" (Hollywoodveteran Scott Glenn).
Doch da die durchaus talentierte Baby Doll-Darstellerin Emily Brwoning darauf beschränkt ist, den Beschützerinstinkt und Sexualtrieb des (männlichen) Zuschauers dadurch anzusprechen, dass sie in Schulmädchenoutfit (mit und ohne Knarre), Rougewangen und Zöpfchen wahlweise hilflos in die Kamera schaut oder Bösewichte abmetzelt und allen voran Vanessa Hudgens (High School... ach, ihr wisst, was ich meine) unter Beweis stellt, dass Berühmtheit und Talent zwei Paar Schuhe sind, versetzt das Ensemble dem Film seinerseits einen Sucker Punch.

Fazit:

Ein Film der einiges gut kann, einiges überhaupt nicht und Ansprüche an sich selbst stellt, die der Zuschauer weder beim Bezahlen an der Kasse teilt, noch halten kann. Selbst, wenn man einen Action-Fatasy-Film mit nackter Haut sehen möchte, kann es gut sein, dass man nachher trotzdem unbefriedigt den Saal verlässt. Wer also einen Film wie Inception 2 erwartet ist in allen belangen absolut fehl am Platz, wer aber über die gröbsten Schwächen der Inszenierung hinwegsehen kann, wird von Bild und Ton erschlagen und leicht desorientiert den Kinosaal verlassen.
Alles in allem kein wirklich guter Film, was bei seinen Stärken sehr schmerzt, aber eine gute Kur von der Realität.

3+

LG,

Chris
- Anselm Amaurius von Lindelbrunn - Knappe von Giskard Geromund von Gramswald
- Dimitrii, Jäger der Brockenmark



- Colja Ivanowitsch Nikolayev, Exekutor im Orden der heiligen Krieger der Mutter Meret
- Hans Heronimus, freischaffender Schwertschwinger aus Leutern

Der alte Mann

Danke für die Kritik. Sie entspricht sehr genau meiner Erwartungshaltung. An sich möchte ich nur wegen der Bilder in den Film. Wenn ich aber die Zeit dafür nicht finde, ist es nicht schlimm.
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Der Thorsten

Hi,

Hab den Film noch nicht gesehen. Aber wie mir zugetragen wurde, soll der Plot im Prinzip das gute alte "Zauberer von Oz" bzw. "Alice im Wunderland" Motiv aufgreifen:

Die Protagonistin entwickelt auf Grund von Veränderungen (z.B. der Eintrit ins Erwachsenwerden) / dramatischen Erfahrungen (hier körperliche und seelische Gewalt) etc. pp. eine imaginäre parallele Sekundarwelt (geistige Flucht), um die Geschehnisse in ihrem Leben besser verarbeiten zu können.

An und für sich find und fand ich dieses Motiv immer reizvoll. (*hust* siehe: Liverollenspiel *hust*...)

Wie weit dies im Film gelungen ist, kann ich wie gesagt nicht beantworten. Aber ich spiele mit dem Gedanken vielleicht doch noch rein zu gehen oder ihn mir auf jeden Fall mal auf DVD anzusehen, wenn er dann mal rauskommt. Schon alleine damit ich mir selbst ein Bild davon machen kann.

Beste Grüße,
der Thorsten
"Wenn man sein Leben nicht in eine Geschichte verwandelt, so wird es Teil der Geschichte einer anderen Person."
-  aus: Terry Prachett: "Maurice der Kater"